Auf dem Weg zum Corona-Impfstoff:
Ansätze aus der Forschung
Einige Dutzend Firmen und Institute suchen auf der ganzen Welt nach einem Impfstoff gegen das neue Corona-Virus. Welche Strategien und Ansatzpunkte sie bei der Impfstoffentwicklung verfolgen und welche davon vielversprechend sind, erfahren Sie hier.
Die aussichtsreichsten Kandidaten
An einem SARS-CoV-2-Impfstoff forschen derzeit laut WHO über 54 unterschiedliche Projekte, von denen acht bereits erste klinische Studien an Menschen durchführen: In Deutschland testen die biopharmazeutische Unternehmen CureVac und BioNTech ihre Wirkstoffe. In Australien die University of Queensland. Gleich vier US-amerikanische Studien laufen für die Biotechnologie-Firmen Moderna, Inovio und Novavax, sowie die Oxford University. Zusätzlich sind zwei chinesische Projekte der Firmen Fosun Pharma und CanSinoBIO weit fortgeschritten.1 Da die Bewilligung für neue Studien gerade ungewöhnlich schnell abläuft, kommen ständig weitere Untersuchungen dazu.
Impfstofftypen
Es gibt drei verschiedene Typen von Impfstoffen, die für den Sars-2 Coronavirus vielversprechend sind. Sie alle sollen das Immunsystem eines Patienten auf eine Virus-Infektion vorbereiten. Neben den beiden traditionellen Verfahren der Herstellung von Lebend- und Totimpfstoffen, hat sich in den letzten Jahren noch ein dritter Ansatz etabliert, der in der aktuellen Pandemie zum ersten Mal für einen Impfstoff angewendet werden soll: genbasierte Impfstoffe. Die Funktionsweise der drei Ansätze ist dabei ebenso unterschiedlich wie deren jeweiligen Stärken und Schwächen:
1. Totimpfstoffe
In dieser ältesten und einfachsten Form der Impfstoffentwicklung werden Erreger zum Beispiel mit chemischen Mitteln inaktiviert oder mit Hitze abgetötet (Inaktivierte Ganzpartikelimpfstoffe). Diese harmlosen Viren vermehren sich im Körper nicht, lösen aber trotzdem eine Immunreaktion aus. Teilweise werden nur bestimmte Proteine der Virusoberfläche (Spaltimpfstoffe) verimpft, welche die Bildung von Antikörpern anregen. Wenn nicht der Erreger selbst, sondern dessen Gifte die Krankheitssymptome verursachen, können auch entgiftete Toxine der Mikroorganismen (Toxoide) verwendet werden.
Totimpfstoffe sind tendenziell besser verträglich als Lebendimpfstoffe und können nicht mutieren. Die Massenproduktion von Impfdosen ist aber eher aufwändig und es könnten Nachimpfungen nötig werden, da der Antikörperspiegel im Blut oft schnell abfällt.2 Zudem muss das Risiko einer fehlgeleiteten zellulären Abwehrreaktion in aufwändigen Testreihen ausgeschlossen werden.
Mehrere Projekte (beispielsweise von Novavax und der University of Queensland) entwickeln aktuell Spaltimpfstoffe mit Virusprotein. Totimpfstoffe werden routinemäßig für verschiedene Krankheiten eingesetzt (z. Bsp: Kinderlähmung, FSME, Tollwut, Fleckfieber, und Hepatitis A).
2. Lebendimpfstoffe
Für die Herstellung von Lebendimpfstoffen benötigt man Viren, die sich schnell vermehren, jedoch keine Erkrankung auslösen. Diese harmlosen Viren erhält man durch den Prozess der Attenuierung (lat. attenuare: schwächen). Dabei mutiert der Erreger wiederholt in Zellkulturen und wird entsprechend seiner Eigenschaften selektiert. Bis ein Erreger ohne krankmachenden Eigenschaften gefunden wurde, kann es Jahre dauern.2 Schneller geht es, wenn bereits modifizierte, harmlose Viren von anderen Impfstoffen an den aktuellen Erreger angepasst werden. Dabei werden die Oberflächenproteine der sogenannten Vektorviren (etwa das Modifizierte Vaccinia-Virus Ankara oder das Virus des Masernimpfstoffs1) gegen SARS-CoV-2-Proteine ausgetauscht. Das Immunsystem baut nach der Impfung einen Immunschutz auf, der auch eine echte Infektion abwehren kann.
Vorteilhaft ist eine langandauernde Immunität durch Lebendimpfstoffe, sowie die gute Zusammenarbeit mit dem Immunsystem auf Zellebene. Problematisch ist vor allem die aufwändige Entwicklung und Produktion solcher Impfstoffe.
Das Projekt der University of Oxford ist als bislang einzige Studie mit einem vektorbasierten Lebendimpfstoff bei Versuchen an Patienten angelangt. Lebendimpfstoffe werden vielfach gegen andere Krankheiten eingesetzt (z.B. Masern, Mumps, Röteln, Varizellen, Gelbfieber).
3. Genbasierte Impfstoffe
Genbasierte Impfstoffe sind eine Erfindung der letzten Jahre. Bei dieser experimentellen Form des Impfens werden ausgewählte Teile der Virus-DNA oder stabilisierte mRNA des jeweiligen Antigens verimpft. Diese sollen im Körper ungefährliche Virusproteine bilden, die wie bei einem konventionellen Impfstoff den Immunschutz bewirken. Klassische Nebenwirkungen können nach aktuellem Forschungsstand bei dieser Methode nicht auftreten. Zwar wurden noch keine Impfstoffe mit diesem Verfahren zugelassen, es gibt aber Anwendungen in der Krebstherapie und Infektionsprophylaxe.
Der große Vorteil genbasierter Impfstoffe ist die schnelle und unkomplizierte Produktion von Impfdosen in großem Massen.1. Manche Experten vermuten aber, dass es noch einige Jahre dauern würde, bis genbasierte Impfstoffe Marktreife erlangen. Damit käme die Entwicklung zu spät für die aktuelle Pandemie. Obwohl bisher noch kein derartiger Impfstoff zugelassen wurde, verfolgen viele Unternehmen und Institute weltweit diesen Ansatz, so etwa CureVac, Fosun Pharma, Moderna und Inovio.
Welcher der drei Ansätze am schnellsten die Bevölkerung mit Impfdosen versorgen kann, ist schlecht absehbar. Genbasierte Impfstoffe böten eine reizvolle technische Alternative zu traditionellen Impfstofftypen. Falls der Versuch jedoch nicht gelingt, ist es sicher gut, dass auch mittels anderer Prozesse Impfstoffe produziert werden.